Outsourcing

Der Plan der britischen Regierung, Flüchtlinge nach Ruanda abzuschieben, ist von den Gerichten abgewiesen worden. In Deutschland, Österreich und anderen Ländern wird dieser Versuch, Flüchtlingsprobleme per Outsourcing zu lösen, auch verfolgt.

Flüchtlingshandel
Die Schweiz ist schon vorausgegangen, 2015 war eine Aargauer Gemeinde monatelang im Gespräch, weil sie versuchte, die vom Staat verfügte Zuteilung von Asylbewerbern zu umgehen und sich finanziell von der Pflicht loszukaufen. „Wir haben eine Gemeinde gefunden, deren Überhang an aufgenommenen Flüchtigen wir finanzieren können, um so eine Ansiedlung von Flüchtlingen hier zu verhindern“, erklärte der Gemeindeammann gegenüber der Presse. Nach einigen Monaten und internationalem Aufsehen lenkte die Gemeinde ein.

Freikauf und Ablasshandel
Mir schien das symptomatisch: Man war reich, man war gewohnt, Probleme mit Geld lösen zu können. So konnte man sich wohl auch von der Solidarität bei der Lösung weltweiter Krisen freikaufen. Manche erinnerten sich damals an den spätmittelalterlichen Ablasshandel, in dem die Kirche die von Christus im Evangelium zugesagte Kompetenz, Sünden zu vergeben, kapitalisierte und gegen Geld verkaufte. Mit dem Geld wurde u.a. der Petersdom gebaut. Seit man es weiss, kann man sich nicht mehr ungeteilt an diesen Kunstschätzen freuen.

Es ist das Hell-Dunkel der Kultur, das seit einigen Jahren zunehmend über dem Kulturerbe schwebt, seit man vermehrt die Kostenseite wahrnimmt von vielen glänzenden Kulturgütern, die auf asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen beruhen, auf den Ungleichgewichten der Geopolitik und auf direkten Interventionen in Angriffskriegen und kolonialer Unterwerfung.

CO2-Handel
Ähnliches gibt es beim Versuch, den Klimawandel durch Reduktion des CO2-Ausstosses zu verhindern. Auch hier fanden reiche Länder einen Weg, die Reduktion im Ausland einzukaufen. Durch den «Emissionshandel» kann das Recht zur Luftverschmutzung und Klimabelastung gehandelt werden. Wer viele «Emissionszertifikate» kauft, kann weiter CO2 in die Luft abgeben.

Arme Länder in Afrika sind froh, so Geld verdienen zu können, ihre Wälder nehmen CO2 auf. Diese Fähigkeit der «CO2-Senken» wird im Klimawandel zu einem Kapital, das den armen Ländern (oder einzelnen Nutzniessern) zugutekommt. So könnten Entwicklungshilfe und Klimaschutz miteinander befördert werden – wenn es denn funktionierte. «Die versprochenen CO2-Ensparungen scheinen mehrheitlich nur auf dem Papier existiert zu haben», schreibt der «Tages-Anzeiger» über die Firma «South Pole» nach dem Scheitern ihres Kariba-Projekts in Zimbabwe, wo für 100 Millionen Dollar Zertifikate verkauft wurden.

In diesem Jahr waren Berichte in der Zeitung zu lesen, dass viele Projekte mehr versprochen als geleistet haben. Auch die vielen Oeko-Anlagen, die von den Banken plötzlich vertrieben wurden, waren in ihrer Wirkung übertrieben oder dienten dem sog. «Greenwashing» der Kapitalanlagen.

Ernüchterung
Ein grünes Feigenblatt – wie kann es anders sein? – wurde im Jahrzehnt der grünen Politik und der Nachhaltigkeit allem umgehängt: Produkten, Anlagen, Finanz-Transaktionen, internationalen Projekten. In diesem Namen wurden Wahlen abgehalten und gewonnen.

Inzwischen ist in vielen Bereichen Ernüchterung eingekehrt. Die Wahlen im Herbst 2023 haben die Grünen zurückgestuft. Viele Projekte scheiterten, sei es, weil der Krieg in der Ukraine neue Prioritäten schuf, sei es, weil letztlich das Geld fehlte und auf internationalen Konferenzen Zusagen gemacht wurden, die nicht gehalten werden konnten. In Deutschland ist der Versuch, den Krisenfonds aus der Covid-Zeit in ein grünes Sondervermögen hinüber zu retten, von den höchsten Gerichten gestoppt wurden. So fehlen der deutschen Regierung 60 Milliarden Euro für die vorgesehene ökologische Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft.

Handel mit dem Schicksal
Schulden sind auch eine Form von Outsourcing. Ausgaben, die heute nicht erwirtschaftet werden können, werden der Zukunft aufgehalst. Das sind Kinder, Enkel, die zukünftigen Geschlechter, die sich nicht dagegen wehren können, die keine aktive Politik mehr formulieren können, die bezahlen müssen, was die Vorfahren ausgegeben haben.

Wenn heute aber keine Antwort auf Klimawandel und ökologische Zerstörung gefunden wird, trifft das auch die kommenden Geschlechter. Der Klimawandel hat uns heute schon am Wickel. Wir können ihn gar nicht mehr auf die Zukunft abschieben. So braucht es wohl einen zweiten Anlauf mit grünen Wahlen und grüner Politik. Und es braucht ein neues Vertrauen trotz all der Trittbrettfahrer, die auf der grünen Welle ihre Schäfchen ins Trockene bringen.

 

Foto von Anuar Gresati, Pexels