Cordon sanitaire

Mitte November ist eine neue Covid-Variante in Südafrika aufgetaucht. Die Schweiz sperrt den Luftraum für Einflüge aus Südafrika und einem Band von nördlich angrenzenden Staaten. Dort wurden keine Fälle gemeldet. Es ist ein Sicherheits-Abstand: es betrifft das betroffene Land und einen Gürtel drum herum.

Eindämmung
«Cordon Sanitaire» hiess früher das Isolationsgebiet zur Eindämmung von Seuchen. Der Begriff strahlte auch auf die Politik aus und auf die Kultur. Nach dem ersten Weltkrieg wurde das revolutionäre Russland durch einen Gürtel aus unabhängigen Staaten vom restlichen Europa abgetrennt. Man nannte diese Pufferzone «cordon sanitaire». Dadurch sollte Westeuropa vor ideologischer Ansteckung und vor revolutionären Übergriffen geschützt werden.

Als ich klein war lernten wir in der Schule die «Chinesische Mauer» kennen, die gebaut wurde als «Schutz gegen Reitervölker» aus dem Norden. Auch heute werden wieder Mauern gebaut. Europa baut Zäune um seine Aussengrenze. Als Trump das an der US-Südgrenze machte, wurde es noch getadelt. Die Grenzen werden heute auch rechtlich hochgezogen: das Asylrecht soll eingeschränkt werden.

Ansteckung und Wanderung
In der Schweiz ist ein Vogelgrippe-Fall aufgetreten. Alle Hühner im betroffenen Hof wurden «gekeult». Dazu geht die Angst vor der Schweinegrippe um. Immer mehr Zäune werden errichtet. Am Horizont stehen – wie ein Alptraum – der Klimawandel und die Migrantenströme, die er auslösen wird.

Auch die Bibel erzählt von Migration. Es ist sogar ein Hauptthema in diesem Buch, das von Heil und Unheil in der Menschheits-Geschichte handelt. Die vom Hunger ausgelöste Wanderung der Hebräer nach Ägypten und ihre Rückkehr steht im Zentrum des Alten Testamentes. Das Neue Testament erzählt die Geschichte von Jesus Christus so, als ob er dabei gewesen wäre, als ob die Geschichte in seinem Weg rekapituliert würde. Wenn die Heilige Familie an Weihnachten nach Ägypten flieht, ist es, als ob er mit seinem Volk nach Ägypten zöge. Die Erzählung der Rückkehr ist transparent für die Einsicht, dass er ins gelobte Land führt.

Zu Ende gedacht
Was ist die Antwort des Neuen Testamentes auf Flucht und Zäune? Immer fliehen geht nicht. Immer Zäune bauen geht nicht. Wir werden eingeholt. Jesus Christus markiert den Punkt, wo das Fliehen aufhört, wo Abwehren durch etwas anderes abgelöst wird.

Jesus Christus stellt sich: Da ist ein Kranker. Da ist ein Armer. Da ist ein Aussätziger. Er gibt zu essen. Er gibt zu trinken. Er geht auf den Kranken zu und berührt ihn. «Sei rein!» Der Aussatz fällt ab, seine Ächtung fällt ab. Er gehört wieder dazu. Es ist eine Menschheit. Sie hat ein gemeinsames Schicksal.

Wunderheilung?
Dieses «Wunder» können auch wir heute vollbringen. Wo wir auf einen Ausgegrenzten zugehen, fällt der Aussatz, die soziale Ächtung, und der Betroffene kehrt zurück in den Kreis der Menschen, die Zuwendung erhalten, die Achtung verdienen. In jedem einzelnen ist das Schicksal des Ganzen verkörpert. Auch der Flüchtling rekapituliert die Geschichte der Menschheit. Auch wir stehen vor ihm, wie die Menschen seit je vor den Gezeichneten standen.

Wir können das zum «Wunder» erklären, und es uns vom Leib halten. Dann ist Gott der Einzige, der Antwort weiss. Wir können Christus nachfolgen und im Vertrauen auf Ihn Wege finden, von denen wir heute noch keine Ahnung haben. Aber wir finden sie, Schritt für Schritt, wenn wir einen Anfang machen. Was daraus resultieren wird? Die Angst malt uns die Katastrophe vor Augen. Die Bibel erzählt die Geschichte von Advent und Weihnachten. Mitten im Dunkel entsteht etwas Neues.

 

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