Was die Welt trägt

Zum Advent

Seit ich älter werde habe ich mehr Freude an dem Brauchtum um Advent und Weihnachten. Ein von den Kindern gebastelter Adventskalender, Guetsli backen, die Frage „was wünscht du dir denn zu Weihnachten?“, einen Baum schmücken… Die Kinder haben es mir nähergebracht. Als junger Mann war ich eher auf der rationalen Seite. Mehr und mehr ist es aber auch von Wehmut umgeben, seit es spürbar wird, dass die Kinder bald ausziehen werden. Sie sind gross geworden. Die Bräuche sind gefüllt mit Erinnerungen an schöne Familienanlässe. Und diese Zeit geht vorbei.

Viele ältere Menschen erleben darum wenig von frohen Weihnachten. Die Kinder sind fort, zu den Enkelkindern besteht auch nicht mehr viel Kontakt, seit sie in der Schule sind. „Sie haben halt ihr eigenes Leben.“ Einsamkeit macht sich bemerkbar. Viele fahren auch fort über diese Tage, sie möchten sich nicht damit konfrontieren.

Wie kann Weihnachten wieder froh werden? Was froh macht, liegt nicht zuerst an den Bräuchen. Es liegt am Ereignis, an das Weihnachten erinnert. Das Geschehen um Jesus Christus und seine Zeit.

Es war eine aufgewühlte Zeit – wie heute. Es war nicht einfach Friede. Ganze Völker waren in Bewegung, nicht unähnlich dem, was heute in Nordafrika geschieht. Auch im Volk Israel gärte es. Es gab Aufstände und blutige Unterdrückung, ähnlich den Ereignissen heute in Syrien. Aus alter Zeit gab es die Verheissung, dass aus dem Geschlecht David ein neuer König aufstehen werde. Er werde Frieden und Gerechtigkeit zurückbringen.

Als Jesus auftrat, hefteten sich diese Erwartungen an ihn. Und es brauchte einen langen Weg, um zu begreifen, dass der Friede, den er brachte, nicht auf militärischem Weg gewonnen wird. Das Königtum, das er verkörpert, wird nicht durch äussere Kämpfe erworben. Und wer einen Posten in seinem Königreich erwerben will, dem sagt Jesus: „Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach“.

In den Ereignissen um Passion und Ostern wird das durchexerziert: die Auseinandersetzung mit Macht, Sieg und Niederlage. Und die Frage, was bleibt, was die Welt letztlich trägt.

Die Sieger liessen eine Tafel über dem Kreuz anschlagen: „Jesus von Nazareth, König der Juden.“ „Seht her“, wollen sie damit sagen, „so geht es allen, die sich gegen uns erheben!“ Die Anhänger haben die Tafel stehen lassen, sie haben sie aber umgedeutet: „Ja, er ist wirklich der König. Gott hat den Gedemütigten erhöht. Er hat ihn nicht im Grab gelassen, er hat ihn ins Licht gestellt.“ So haben sie ihren Glauben gerettet an Recht und Gerechtigkeit.

Und ein Prozess hat angefangen, der bis heute anhält: Wer wird am Schluss als Sieger dastehen? Sind es die, die das Recht mit Füssen treten? Oder wird das Recht den Sieg davontragen? Ist es nicht all das, wofür Jesus steht: Barmherzigkeit, sich um den andern kümmern, „einer trage des andern Last“? Es gibt Sieger, die unterliegen; sie verlieren den Glauben, werden zynisch. Und es gibt Verlierer, die im Verlust etwas finden. Den Glauben, das Vertrauen in Gott, der das Leben will. Dieser Glauben ist denk- und lebensnotwendig.

„Mit Bajonetten kann man alles, aber nicht darauf sitzen“, sagte der Staatsmann Talleyrand in der Zeit Napoleons. Mit Gewalt, meint er, kann man ganze Nationen erobern. Aber um sie zu beherrschen, muss man sie befrieden. Man muss ihnen Recht und Gerechtigkeit widerfahren lassen. Das bleibt. All das, was wir an Weihnachten feiern – es ist die Grundlage für den Frieden.

Das gilt für den Frieden zwischen den Völkern, aber auch für den Frieden im eigenen Innern. Im Vertrauen auf Gott und seine Gerechtigkeit finden wir den rechten Weg für unser Leben.

 

Aus Notizen 2011