Schlüsselgewalt

In der Vergangenheit sprach man viel von „Schlüsselgewalt“ und man hat Machtansprüche davon abgeleitet. (Dass die Kirche vergeben kann oder nicht vergeben, dass sie die Tür zum Paradies aufschliessen kann oder nicht.)

Tritt her in die Mitte!
An jenem Abend, als die Jünger sich hinter verschlossenen Türen aufhielten, da „kam Jesus und trat in die Mitte“. (Joh 20.19)

In die Mitte – wie oft hat die Bibel erzählt, dass Jesus einen Menschen bat, in die Mitte zu treten! Immer wieder, wenn er einen Kranken geheilt hat. „Tritt her in die Mitte!“ sagt er ihm. Und er fragt: „Was willst du, dass ich dir tue?“ „Dass ich wieder sehen kann“, sagt der Blinde. Dass ich wieder gesund werde, der Kranke.

Er stellt den Menschen in die Mitte, auch den Verletzten, Verwundeten, Gedemütigten, den an den Rand geschobenen und Ausgesetzten, den mit Aussatz gebrandmarkten. Jesus berührt den Aussätzigen. Und so ist er nicht mehr unberührbar, nicht mehr aus-gesetzt. Er ist in der Mitte.

In die Mitte. Wir möchten Kontakt finden zu unserer Mitte. Zu dem, was uns Ruhe gibt. Wo wir uns gehalten fühlen und in Kontakt zu dem, was den innersten Kern unseres Lebens ausmacht.

Da „kam Jesus und trat in die Mitte.“
Friede sei mit euch! sagt er. Bei ihm können wir zur Ruhe kommen – und jene Hektik ablegen, das Gefühl von Verlust und dass wir etwas nachrennen müssen. Wir können das Gefühl ablegen, etwas Wichtiges nicht erreicht zu haben und die ewige Anstrengung, die nie an ein Ziel kommt. Wir können Frieden finden mit dem, was in der Vergangenheit liegt und uns plagt. Frieden mit dem, was wir in der Zukunft sehen und uns Sorgen macht.

Friede ist jetzt, wo die Mitte bei uns ist. Jetzt ist das, was am Ende geschieht, wenn Gott alles vollendet. Jetzt ist das, was am Anfang geschieht. Gott macht seine Schöpfung neu.

„Wie mich der Vater gesandt hat, sende auch ich euch.“ Die Sendung, das ist der Clou dieser Pfingstgeschichte. Er gibt Geist von seinem Geist, damit wir tätig werden können: „in seinem Geist“, in seinem Sinn, in seiner Kraft.

Die Schlüssel
„Wenn ihr jemand die Sünden vergebt, sind sie ihm vergeben. Und wenn ihr sie jemandem als Schuld festhaltet, so sind sie als Schuld festgehalten.“ Vergebung, das ist der Sinn der Sendung. Das ist der Schlüssel, den er in unsere Hand legt, mit dem wir Mitarbeiter werden können an seinem Werk. In der Vergangenheit sprach man viel von „Schlüsselgewalt“ und man hat Machtansprüche davon abgeleitet. (Dass die Kirche vergeben kann oder nicht vergeben, dass sie die Tür zum Paradies aufschliessen kann oder nicht.) Aber es geht nicht darum, welche Macht derjenige hat, der den Schlüssel in Händen hält, sondern es geht um das, was er damit macht: dass er nämlich die Tür aufschliesst.

Die verschlossene Tür, die er öffnen soll, das ist die Schuld, das ist die Last, das ist die Ausweglosigkeit. Es ist die Last der Vergangenheit, das Gefühl, mit seinem Leben in einer Sackgasse gefangen zu sein, weil kein Ausweg sichtbar ist. – Doch! sagt Christus: Es gibt einen Ausweg: Er beginnt mit der Vergebung! Es ist die Last der Zukunft, die Sorgen, die den Weg verstellen. Ist da kein Weg mehr gangbar für mich? – Doch! „Friede sei mit dir!“ sagt Christus.

 

Die Bibeltexte finden sich Joh 20,19-23
Aus Notizen 2005
Foto: Mehmet Turgut Kirkgoz, Pexels