Im Advent begegnet mir vieles: das Grosse, das in meinen Wünschen lebt, das Korrekte, das man herstellt, und das Fremde, das Unwahrscheinliche.

Das Grosse
Ja, dazu brauche ich den Advent: eine grosse Hoffnung, grösser als all die dunklen Nachrichten dieser Zeit, grösser als der Krieg, als die kalte Berechnung, mit der man einen Gegner zerbombt, vermint, zusammenschiesst. Eine Hoffnung, grösser als was die Menschen alles angezettelt haben, und sei es in bester Absicht.

Das Korrekte
Kürzlich sahen wir im Fernsehen einen neuen Weihnachtsfilm. Alles war ausgewogen und politisch korrekt. Man konnte nirgends Anstoss nehmen. Die Erzählung plätscherte dahin ohne Höhen und Tiefen. So ist Weihnachten totgeredet. Es gibt kein Unheil mehr, darum auch kein Kreuz, keine Passion, keine Erlösung. Es ereignet sich nichts als das Abschnurren eines «Handlungsbedarfs», den eine Verwaltung festgestellt und eine Regierung umgesetzt hat.

Das Fremde
Eine ganz andere Stimmung begegnet mir in der Bibel, aus der die Adventsbotschaft stammt. In unerhörter Konzentration spricht Christus, der die Situation deutet und zusammenfasst. «Wartet nicht länger», sagt er. «Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!» (Mk 1,15)

Das stellt die Menschen vor eine unerhörte Forderung, die Zeit wird in einem Wort zusammengefasste – sie ist reif – und was Menschen jetzt tun müssen, ist, darauf Antwort zu geben. Mit dem Umkehrruf und der Zeit-Ansage ist eine neue Situation gegeben. Jetzt ist sie da, sei bereit! Finde dich ein in deinem eigenen Leben!

Meint er mich?!
Der Umkehrruf erinnert an den Alarmruf des Wächters, an das Selbstaufrufen bei einer existenziellen Situation: Jetzt gilt es, sei wachsam. Es ist eine innerliche Wandlung, es geht um Präsenz. Um völlige Gegenwart. So ordnet sich alles neu: die Wahrnehmung, die Ausrichtung, die Prioritäten, die Bereitschaft zu agieren und zu reagieren…

Es erinnert an den Alarmruf, der heute ertönt wegen der Zuspitzung der globalen Krisen, wegen Artensterben, Klimaveränderung (oder der geopolitischen Konfrontation um die Vorherrschaft grosser Machtblöcke). Es gilt ernst, jetzt ist der Zeitpunkt da.

Die Antwort
Mit dem Sich-selbst-einfinden im eigenen Leben (mit dem Sich-zurück-ziehen aus all den Ländern und Provinzen der Selbstvergessenheit, wo man sich einfach etwas anderem überlassen konnte) verbunden ist ein Empfinden (man macht es nicht, es ist, als ob es von selber kommt) der Ganzheit.

Auch die Welt stellt sich anders dar, wenn ich mich anders in meinem Leben einfinde. «Im Augenblick liegt das Ganze.» Ich realisiere: Es ist gar nicht so weit entfernt, wie ich immer dachte. Es folgt nicht irgendwelchen Bedingungen, die erst erfüllt sein müssten, wie ich immer meinte, es ist da, sobald ich da bin, sobald ich mich einfinde.

Aufbruch
Der Ruf «das Reich Gottes ist nahe, ändert euern Sinn, vertraut dem Evangelium!» bricht den bisherigen Zusammenhang auf. Er bricht die bisherige Tätigkeit ab; die Jünger, als sie ihn hören, steigen aus dem Boot, wo sie Netze flickten oder Fische fingen. Es ist Ernstfall, wie wenn der Wächter ruft, wenn der Fall eintritt, auf den die Gemeinschaft sich so lange vorbereitet hat.

Jetzt ist es soweit!

Das ist der Moment, wo das Private und das Öffentliche zusammenfallen. Das Reich Gottes, das Gelobte Land, das das Absolute bisher in einem Symbol repräsentierte, ist «da», wo wir uns in unserm Leben einfinden. Die «Umkehr» entspricht einer neuen Weise, das «Ganze» wahrzunehmen. Es ist eine einzigartige Erfahrung. Es ist die Lebensfrage schlechthin, vielleicht hatte man sie vergessen, jetzt ist sie da und der Wunsch, dass es zum Gelingen kommt. Es braucht kein Reden, nur ein Aufbrechen, jetzt, ein Wahrnehmen, ein Mitgehen.

Es kommt von Gott her
Wir hören den Ruf, drehen uns um, sehen das Neue, das kommt, an dem wir teilhaben werden. Es kommt von Gott her, wir machen es nicht, wir erkämpfen es nicht, es liegt nicht in unserer Macht. Wir hören die Botschaft, dass es von Gott herkommt und dass auch wir daran teilhaben dürfen. Wir hören es und «glauben» es. Wenn wir aufbrechen, in diesem Vertrauen, empfangen wir alles, was es auf diesem Weg braucht. Und das Reich Gottes – es wächst aus dem kleinsten Senfkorn, das wir säen.

 

Foto von Lisa Fotios, Pexels

Beachten Sie zu diesem Thema die Blogbeiträge «Umkehren – was soll das sein?», «Wenn Freiheit sich aus Unfreiheit erhebt», «Umdenken – ein religiöser Begriff macht Politik» und das Streiflicht «Das Gelobte Land, das Reich Gottes»