Alles ist aus demselben Teig

Erntedank! Soll man heute noch Erntedank feiern? In unserm Dorf spürt man es noch, dass wir von Landwirtschaft leben. Das Dorf ist von Feldern und Wiesen umgeben. Hier gibt es noch Bauern. In der ganzen Schweiz arbeiten nur noch etwa 5% der Menschen in der Landwirtschaft.

Wenn man in Städten wohnt, ist man immer nur von Technik umgeben, von dem, was Menschen machen. Geht man hinaus, sind da Häuser und Strassen. Und schaut man nachts zum Himmel, sieht man keine Sterne. Sie verschwinden im künstlichen Licht.

Vom Dank zur Sorge
So begegnet man kaum noch dem „andern“: was vor dem Menschen da war, was sein Leben möglich macht und trägt. Der Mensch begegnet immer nur sich selbst. So denkt er, er habe sein Leben selber in der Hand. Dann gibt es nichts zu danken. Wenn alles von uns abhängt, verwandelt sich alles in Sorge. Wir müssen es machen.

Der Teig
Als unsere Tochter kleiner war – sie half beim Ausstechen der Weihnachts-Guetsli – hat sie gefragt: Papa, was heisst das «lebendig»? Und nach einer gewissen Zeit hat sie sich selber die Antwort gegeben. „Das Leben ist wie ein Teig, man wallt ihn aus. Und dann sticht man mit den Förmchen etwas aus. Da gibt es Förmchen für Tiere, Blumen, Bäume, Menschen. Alles ist aus dem gleichen Teig.“

Mir gefällt dieses Bild. Alles Leben ist verwandt. Heute sind unsere Lebens-Grundlagen bedroht. Wir brauchen das Bewusstsein, dass alles zusammenhängt, nicht nur wirtschaftlich, sondern im Innersten. Nur so haben wir Respekt vor dem andern. Wir sind es ja selbst.

Erntedank
Wenn wir heute noch Erntedank feiern, so kann das der Sinn eines solchen Festes sein: dass wir uns bewusst werden, wovon wir leben, und dass wir ihm Sorge tragen. Im Danken anerkennen wir, dass wir das Leben nicht aus uns selber haben.

In einem Psalm heisst es: „Gott, Deine Güte reicht so weit, wie der Himmel ist und Deine Wahrheit so weit, wie die Wolken gehen. Kostbar ist Deine Güte. Sie ist eine Zuflucht für Mensch und Tier. Du machst sie satt mit Gütern aus Deinem Haus und Du tränkst sie mit Freude wie mit einem Strom. Denn bei Dir ist die Quelle des Lebens.“ (Aus Ps 36)

 

Aus Notizen 2013
Foto von Elina Fairytale, Pexels