Als die Hitze kam

Gilt das nicht mehr, dass wir von Gott gehalten sind, dass er uns einen guten Weg führt? Zeigt die Wirklichkeit hier ein abgründiges Gesicht? Wird der Boden plötzlich löchrig und abschüssig, auf dem wir bisher standen? Müssen wir schwarzsehen für den Weg der Menschheit? Müssen wir Angst haben für unsere Kinder und Ihre Zukunft?

Nach den Ferien
Alles, was uns in letzten Wochen und Monaten beunruhigt hat, scheint wieder im Geleise: Die Hitze ist vorbei, es hat endlich geregnet, Gärten und Kulturen haben wieder Wasser. Die Waldbrände sind gelöscht. Die Temperaturen sind etwa 10 Grad tiefer, man mag wieder hinausgehen. Die Geiseln, die ein halbes Jahr in der Sahara festgehalten wurden, sind frei. Die grösste Katastrophe, die es je in einem Stromnetz gegeben hat, ist ohne schlimme Folgen vorübergegangen. Rund 40 Mio. Menschen in den USA und in Kanada waren ohne Strom. Zuguterletzt hat sich auch die Börse etwas erholt. Die anziehenden Kurse haben die Krise bei gewissen Pensionskassen gemildert. Diese Bedrohung der Altersversorgung hat uns vor den Ferien beunruhigt.

Alles scheint wieder gut, wie oft nach den Ferien. Die unwirklichen Bilder, die uns oft während der Ferien erreichen – unwirklich, weil wir ja weit weg sind, in den Ferien lesen wir kaum Zeitung, nehmen alles nur von ferne wahr – diese unwirklichen Bilder sind vorbei. Der Alltag hat wieder angefangen mit seinen kleinen Alltagsfragen.

Alltag
Die Nachrichten dieses Sommers wirken aber doch nach. Es ist nicht so leicht, wieder zum Alltag überzugehen. Die Hitzewelle hat uns echt aufgeschreckt. Sie hat uns an die Diskussion um den Klimawandel erinnert. Und wer die Studien nachliest, die vor einigen Jahren dazu erschienen sind, der sieht: Alles war so vorausgesagt, bis in Details hinein. Haben sie vielleicht doch recht, müssen wir sie ernster nehmen? Neben den Weissmalern gibt es natürlich immer auch die Schwarzmaler, die gleich den Untergang an die Wand malen. Wer im TV-Programm herumzappt, sieht an einem Abend die Welt zwei Mal am Rand des Untergangs.

Solche Nachrichten und noch mehr solche Prognosen können Angst machen. Und wenn vielleicht noch im persönlichen Umfeld ein Unglücksfall geschieht, kann unser Vertrauen erschüttert werden.

Gilt das nicht mehr?
Gilt das nicht mehr, dass wir von Gott gehalten sind, dass er uns einen guten Weg führt? Zeigt die Wirklichkeit hier ein abgründiges Gesicht? Wird der Boden plötzlich löchrig und abschüssig, auf dem wir bisher standen? Müssen wir schwarzsehen für den Weg der Menschheit? Müssen wir Angst haben für unsere Kinder und Ihre Zukunft? Es gibt Sekten und Gemeinschaften, die schon immer vom Weltende geredet haben und die der Menschheit das Gericht ansagen. Ist da etwas dran? Mit welchem Recht lesen wir nur die Stellen in der Bibel, die uns einen guten Gott zeigen? Gibt es dort nicht auch den zornigen Gott, etwa bei den Propheten?

Ein zorniger Gott?
Tatsächlich hat die Rede vom „zornigen Gott“ eine Renaissance erfahren. Seit einiger Zeit befassen sich theologische Publikationen wieder mit diesem Begriff. Sie befragen die biblischen Bücher und die Glaubensgeschichte, sie konfrontieren sie mit den Erfahrungen der Menschen und fragen, wie wir heute in dieser Situation an einen guten Gott glauben können.

Die Rede von Zorn Gottes, vom Gericht, vom Tag des Herrn und von der Endzeit hat in der Bibel nicht den Sinn, andern „die Hölle heiss zu machen“. Es ist im Gegenteil ein grosses Bemühen, auch in dem, was uns widersteht, die Güte Gottes zu entdecken. Gott hilft, indem er uns beisteht, aber er hilft uns auch, indem er uns widersteht.

Wo sollten wir hingehen?
Als Christus verfolgt wurde, als es gefährlich wurde und sich eine Katastrophe über ihm zusammenzog, da haben sich viele seiner Anhänger von ihm zurückzogen. Da fragte Jesus seine Jünger: Wollt auch ihr weggehen? Aber diese sagten: „Wo sollen wir hingehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ (Joh 6, 68). Im Unglück fliehen alle vor Gott. Er scheint ja zu strafen. Er zeigt ein dunkles, unbegreifliches Gesicht. Aber wohin gehen? Wohin fliehen – wenn nicht zu Gott? Wo ist Halt? Hat nicht er das Leben in der Hand?

Der Beter in Ps 60 sagt: „Oh Gott, du hast uns verstossen, stelle uns wieder her! Du hast uns gezürnt, schaffe uns Hilfe!“ Wenn wir uns von Gott verstossen fühlen, wo sollen wir hingehen, wenn nicht zu Gott? Er ist der, der Hilfe weiss. So bleibt das Vertrauen zu Gott doch grösser als die Angst vor Gott. Und der Beter flieht von Gott weg zu Gott hin. „Oh Gott, Du hast uns gezürnt – schaffe uns Hilfe!“

 

Aus Notizen 2003
Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit war der Hitzesommer von 2003 in der Schweiz der heisseste Sommer der letzten 500 Jahre.
Foto von Mikhail Nilov, Pexels