Hiobsbotschaft

„Hiobsbotschaft“ – so nennt man es, wenn eine schlechte Nachricht auf die andere folgt. Daran erinnert es manchmal, wenn die Medien über ökologische Themen berichten: über die Vergiftung der Böden, die Überfischung der Meere, das Aussterben der Arten, die Veränderung des Klimas… So könnte man weiterfahren und Hiobsbotschaft an Hiobsbotschaft reihen. Ich möchte aber lieber weiterfahren wie das Buch Hiob selbst und mich an einige Dinge erinnern.

Die Bibel ist nicht naiv. Auch die Menschen im Altertum kannten bereits ökologische Probleme – sie haben Wälder abgeholzt, Sümpfe trockengelegt. Sie hatten zu kämpfen mit Dürre, Flut und Epidemien. Es gab Konflikte um knappe Ressourcen. Auch die Frage, was wird, wenn der Mensch die Schöpfung zerstört, haben sie sich schon gestellt. Die Menschen damals haben nachgedacht, und sie haben ihre Erkenntnisse in Geschichten überliefert. Drei solche biblischen Geschichten möchte ich hier anschauen. Sie spielen alle am Wasser.

Der Strom der Flüchtlinge
Die erste Geschichte erzählt vom jungen Moses: Der Pharao hat Angst vor dem Volk der Hebräer. Damals gab es eine Hungersnot. Viele Flüchtlinge kamen nach Ägypten, wo es wegen des Nils genug Nahrung gab. Auch die Hebräer kamen, sie siedelten im Land und es wurden immer mehr. Der Pharao fühlt sich bedroht und befiehlt ihren Hebammen, die männlichen Kinder nach der Geburt zu töten. Die Hebammen weigern sich. Da lässt der Pharao sie in den Nil werfen.

Auch Moses ist ein solches Kind. Die Mutter will ihn retten und setzt ihn in einem Kästchen auf dem Nil aus. Mirjam, seine Schwester, wartet am Ufer. Da kommt die Tochter des Pharaos, um zu baden. Sie sieht das Kästchen. Als man es öffnet, sieht sie ein weinendes Kind. Dann heisst es: „Da hatte sie Mitleid mit ihm“. Mirjam bietet der Prinzessin ihre Dienste an. Sie darf für eine Amme sorgen und holt die Mutter. Diese erhält ihr Kind zurück. Als Moses gross ist, nimmt ihn die Prinzessin zu sich. Sie nimmt ihn als Sohn an und nennt ihn Moses, «der aus dem Wasser gezogen ist».

Hilft uns diese Geschichte bei unseren Fragen? Wie handelt der Mensch in dieser Situation? Die Menschen in dieser Geschichte sind nicht einfach nur gut oder schlecht. Sie tun beides: zerstören und retten. Und wenn die Zerstörung in Gang kommt, so sind die Menschen nicht wehrlos. Und die Haltungen, die sie entwickeln, wie Solidarität und Mitleid sind nicht nutzlos. Sie bringen die Rettung in Gang.

Im Hintergrund steht der Strom. Er scheint den Tod zu bringen. Aber er bringt auch das Leben. Der Pharao will die Kinder im Nil ertränken, die Mutter setzt es auf dem Strom aus. Aber da sind Menschen, die helfen. Sie verweigern den Gehorsam wie die mutigen Hebammen, sie stehen dem Schwachen bei, wie die Schwester Mirjam. Und selbst die Tochter des Königs muss beitragen, dass das gerettet wird, was jener zerstören wollte. Warum wollte er es zerstören? Aus Angst vor dem Volk, das eingewandert war und das ihm zu mächtig wurde. Hier ist etwas, das stärker ist als die Angst. Das sind Mitleid, Vertrauen, Solidarität und sich gegenseitig beistehen! Das hat die Menschen damals gerettet. Das ist eine Geschichte aus dem Altertum, die uns auch heute helfen kann in den Herausforderungen unserer Zeit.

Die Quelle in der Wüste
Moses – als er erwachsen ist – wird zum Anführer der Hebräer. Er führt sie aus Ägypten hinaus, wo sie unterdrückt und versklavt werden. Anfangs gehen sie gern mit ihm. Aber als sie in die Wüste kommen, als es heiss wird, als sie nichts zu trinken haben, da revoltieren sie und sehnen sich zurück nach Ägypten.

Moses betet zu Gott: „Warum hast du uns aus Ägypten gerettet, wenn wir jetzt umkommen in der Wüste? Und das Volk, es fehlt nicht viel, so steinigen sie mich!“ Gott antwortet ihm: „Geh zum Felsen am Berg Horeb (das ist der Berg, wo Moses Gott begegnet ist). Schlage mit dem Stab auf den Felsen, so wird Wasser hervor strömen.“ Moses tut so, und das Volk wird gerettet. Dann heisst es: „Und man nannte den Ort Massa und Meriba, d.h. Versuchung und Hader, „weil das Volk gehadert und Gott versucht hatte, indem es sprach: ist Gott in unserer Mitte oder nicht?“ (Ex 17, 7)

Das ist eine Geschichte auch für uns. Hadern, das ist die Unzufriedenheit mit dem Weg, wenn es schwierig wird. Versuchung, das ist der Zweifel und die Verzweiflung, ob Gott da ist und uns begleitet, oder ob unser Weg ins Leere geht. Aber da ist eine Quelle, sagt die Geschichte. Dort finden wir Orientierung. Dort können wir unser Vertrauen wieder finden, dass Gott da ist, mit uns auf dem Weg, und dass wir finden, was wir brauchen. –

Die dritte Geschichte handelt von Josua. 40 Jahre sind vergangen. Das Volk ist immer noch in der Wüste. Jetzt stehen sie am Fluss Jordan. Es ist die Grenze zum Gelobten Land. Es ist eine andere Generation. Die Auswanderer-Generation ist gestorben, auch Moses. Wer führt sie jetzt in die Zukunft?

Am Grenzfluss
Gibt es überhaupt eine Zukunft für die nächste Generation? Die Bibel erzählt:

„Nachdem Mose gestorben war, sprach der Herr zu Josua: Mein Knecht Mose ist gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich ihnen geben werde. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt; denn du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will.“ (Josua 1,1ff)

Heute leben wir in einer Zeit, in der viele nicht mehr glauben, dass man die ökologischen Probleme noch in den Griff kriegen kann. Die drei Geschichten aus der Bibel zeigen uns: ökologische Probleme gab es schon damals. Schon damals kannten die Menschen diese Angst, dass sie die Schöpfung aus eigener Schuld zerstören. Sie haben uns ihre Erfahrungen in der Bibel überliefert. Darin sieht man ihre Not, aber auch ihr Vertrauen und ihren Mut. Der Weg, der sie weiterführte, ist das Vertrauen in Gott.

Auch heute gibt es auf unserem Weg ein „Massa und Meriba“, eine Station, wo wir hadern und zweifeln, ob Gott noch mit uns ist oder ob unser Weg ins Leere führt. Auch heute gibt es Mächte, die die Zerstörung vorantreiben, aber auch Menschen, wie die Hebammen damals, und Mirjam, die Mut zeigen und Solidarität. Das ist nicht nutzlos. Die Schwachen sind nicht wehrlos. Ihre Stärke, das ist das Interesse füreinander, die Anteilnahme, das Mitleid, und das gegenseitige sich Beistehen.

Auch für unsere Kinder gilt die Zusage, die Gott den Vorfahren gegeben hat. Er hält ein gelobtes Land für sie bereit. Dort darf das Leben blühen. Auch heute noch gilt der Segen, den Gott Josua gegeben hat und mit ihm allen kommenden Generationen:
„So spricht Gott: Mache dich auf und zieh über den Jordan. Ich will mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Fürchte dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir auf allen deinen Wegen.“

Aus Notizen 2013
Foto von Jess Vide von Pexels