Am Anfang war die Musik

„Am Anfang war das Wort“, heisst es in der Bibel. Gott hat alles ins Leben gerufen. War dieses Schöpfungs-Wort ein gesprochenes oder ein gesungenes?

Das Kind beginnt sein Leben mit einem Schrei. Früher hat man mit einem Klaps auf den Hintern nachgeholfen. Das sei gut für die Lungen. Bald lallt das Kind, es macht Geräusche mit seinem Mund. Es probiert alles aus, und das Herz lacht einem beim Zuhören, wie da ein Kind die Welt erkundet! Reden kommt später. Zuerst ist diese urtümliche Musik aus Geräuschen, Lauten, mit denen das Kind sich hören lässt und Kontakt zu den Menschen hält.

Unhörbare Musik
Am Anfang war die Musik! Die Menschen haben die schöpferische Kraft von Musik und Rhythmus immer empfunden. Auch der Kosmos macht Geräusch. Die alten Völker verfolgten die Bahn der Gestirne, und sie dachten, dass die Sphären bei ihrem Kreisen eine Musik von sich geben – die Sphärenmusik -, die wir nur deshalb nicht hören, weil wir sie von Geburt an gewohnt sind. Aber die Zahlenverhältnisse der Umlaufbahnen liessen sich entdecken, und man konnte sie auf der Leier nachspielen.  So hat Musik eine kosmische Qualität. Und man findet solche Überlegungen auch beim grössten Musiker evangelischer Kirchenmusik, bei Johann Sebastian Bach.

Kosmischer Gottesdienst
Musik ist nicht einfach nur Geräusch, sie ist nicht einfach nur Unterhaltung, sie hat zu tun mit dem Geheimnis der Wirklichkeit selbst. Sie stammt aus der Schöpferkraft. Sie hat Teil an jener Kraft, in der Gott die Welt geschaffen hat und in der er sie heilt und erlöst. So dachte man lange in der Geschichte unserer Kultur. Die Kirche, wenn sie Gottesdienst feiert, weiss seit je, dass sie nur Teil ist eines grossen, universellen Gottesdienstes.

Der ganze Kosmos feiert Gott und lobt ihn. Aber dieser Gottesdienst erfolgt nicht in Worten, er ist Musik, Gesang. Die Sphären kreisen und loben Gott mit ihrer Musik. Die Sonne, die Gestirne, die Vögel singen, die Natur erwacht am Morgen und stimmt in den grossen Gesang ein. Der Mensch erwacht und reiht sich, wenn er betet, ein in das grosse Lob, das die ganze Schöpfung ihrem Schöpfer bringt, und in dem sie ihr Geheimnis feiert.

„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes,
und die Sphären verkündigen das Werk seiner Hände.
Ein Tag sagt es dem andern und eine Nacht tut es der andern kund,
Ohne Sprache, ohne Worte, mit unhörbarer Stimme.
Ihr Klingen geht aus durch alle Lande,
ihr Reden bis zum Ende der Welt.“   (Psalm 19)

Der vierte Gottesdienst nach Ostern heisst in der Tradition „Sonntag Kantate“. „Singt dem Herrn ein neues Lied!“ ist sein Motto.

 

Aus Notizen 2013
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