Die Zwei Tempel von Li

Ein alter chinesischer Meister – wo habe ich die Erzählung gelesen? – lebte zurückgezogen auf einem Berg. Nur selten kreuzte ein Wanderer seinen Weg. Es genügte, dass er im Tal erzählte, da sei ein Einsiedler auf dem Berg, und Menschen machten sich auf den Weg. Sie suchten ihn auf und trugen seinen Namen hinaus. Der Berg wurde bekannt. Selbst Fürsten suchten jetzt seinen Rat. Ungern hörten sie seine höfliche Weigerung, an ihren Hof zu ziehen.

So stiegen die Menschen auf den Berg. Sie bauten sich Hütten zum Schutz vor der Witterung. Ein Kloster entstand und bald ein zweites. Als es mit ihm zu Ende ging, liess er die Mönche zu sich kommen. „Bewahrt den Weg!“, sagte er ihnen und starb.

„Wir haben versprochen, auf den Weg zu achten“, sagten die Mönche im ersten Kloster. Sie zogen ins Tal. Sie gingen in die Dörfer, auf die Höfe und lehrten den Weg. Viel Gutes konnten sie tun und sie brachten den Menschen Segen. Die Mönche im zweiten Kloster blieben auf dem Berg. Wenn jemand den Weg zu ihnen fand, gaben sie Auskunft. Sie gaben, worum sie gebeten wurden. „Wir bewahren den Weg, sagten sie. Wir sind da.“

Das erste Kloster hatte grossen Erfolg. Seine Mönche wurden weit herum bekannt. Ihre Lehre verbreitete sich. Sie gingen zu den Festen, an die Märkte, wo immer Menschen anzutreffen waren. Das zweite Kloster war fast unbekannt. Auf den Märkten und Festen fehlten sie. Wo Menschen zusammen strömten, fand man sie nicht. Aber immer wieder gab es Menschen, die sich aufmachten. Sie suchten den Weg und fanden die Gemeinschaft auf dem Berg.

Viele Jahre gingen ins Land. Eine neue Generation kam und starb. Vom ersten Kloster fanden sich nur noch Ruinen auf dem Berg. Und im Tal – den Jahrmärkten sah man nicht an, dass sie einmal von Mönchen besucht worden waren. Das zweite Kloster stand noch, bescheiden, kaum erwähnenswert. Wenige Mönche lebten dort. Ab und zu kam ein Wanderer dazu, der das Suchen weitertrug. Sie erzählten den kommenden Geschlechtern vom Weg.

„Den Menschen ist der Weg eingestiftet“, hatte er Meister noch gesagt. „Sie tragen ihn als Ahnung in sich. Und sie ruhen nicht, bis sie ihn gefunden haben.“