Eine Geschichte auf der Höhe der Zeit

Eine ganz unsentimentale Einstimmung in Weihnachten gibt der Evangelist Markus: Er beginnt in der Wüste. Das getraut sich kein Pfarrer: an Weihnachten von Wüste zu reden. Aber wer sich seinem Leben stellt, der will gerade da durch. Der interessiert sich gerade für diese Frage, wie man da durchkommt.

 Weihnachten ungewohnt

Immer wieder wird über Weihnachten gesagt: Das ist Kitsch, sentimental, es geht nur ums Geschäft. Das Gefälle ist so gross zwischen dem, was wir als Probleme in der Welt wahrnehmen und dem, was wir dafür vorkehren. In dieser Zeit von Englein zu reden, sich in die Kindheitserinnerung an Weihnachten zu flüchten, erscheint als falsch und sentimental.

Eine ganz unsentimentale Einstimmung in Weihnachten gibt der Evangelist Markus: da ist keine Geburt im Stall, kein Weg nach Bethlehem, keine Herbergssuche, keine Anbetung an der Krippe, keine Hirten, kein Ochs und kein Esel. Er beginnt seine Erzählung, als Jesus erwachsen ist. Nichts von niedlich. Die Geschichte verführt uns nicht zu Erinnerungen an die Kindheit. Er ist so alt wie wir.

Und er beginnt in der Wüste. Das getraut sich kein Pfarrer: an Weihnachten von Wüste zu reden. Aber wer sich seinem Leben stellt, der will gerade da durch. Der interessiert sich gerade für diese Frage, wie man da durchkommt. Den TV-Sender mit seinem Lärm und seiner Zerstreuung, den muss man nicht auch noch in der Kirche anknipsen. So jedenfalls denkt Markus, und er mutet uns etwas zu. Er mutet uns das zu, was er sich selber zumutet auf dem Weg zu einem richtigen Leben.

So führt er Jesus gleich mal in die Wüste. Mal schauen wie es ihm geht. Das interessiert uns Menschen: wie es einem dort geht. Wie man sich behauptet, wenn so was kommt. Wie man da wieder herausfindet, wenn es leer und öd wird. Es wird ihm zur Probe, er wird „versucht“ in der Wüste.

Was ist wichtig im Leben? Was führt weiter? Und wo geht es nur immer wieder zurück auf die alten Trampelpfade? – Wer sich auf Kosten anderer Anerkennung holt, der bleibt wohl stecken in diesem Sieb, das sich Wüste nennt. Wer Einfluss und Geltung höherstellt als alles andere, der wird Menschen rund um sich verletzten und selber in einer menschlichen Einöde enden… Markus beschreibt die Art der „Versuchungen“ nicht, im Unterschied zu Matthäus und Lukas. Es ist für jeden Menschen wieder anders.

Wüste statt blühender Landschaften, Fasten statt Festen. Das scheint eine magere Botschaft für Weihnachten. Und doch wird es jedem wohl dabei, der den Lärm der Zerstreuung nicht mehr hören mag.

Gibt es denn kein Weihnachten bei Markus? – Sein Weihnachten ist, dass Gott kommt. „Wahrlich, dieser war Gottes Sohn!“, sagt der Hauptmann am Schluss seines Evangeliums.

Seine Advents-Türe, die aufgestossen wird, ist der Vorhang im Tempel, der mitten entzweireisst, als Christus stirbt. Es widerstrebt uns, in der Adventszeit Geschichten vom Leiden zu hören, auch wenn die Zeitungen voll davon sind, aber in dieser Zeit blenden wir sie aus. Markus beharrt eigensinnig darauf, dass gerade dadurch, durch dieses Geschehen am Kreuz, Heil geworden sei für die Menschen auf Erden. Aber es bleibt dabei: Da sind keine Hirten, die aufbrechen, kein Ochs und kein Esel. Aber eine Geschichte auf der Höhe der Zeit, die die Not nicht leugnet und die Erlösungssehnsucht der Menschen ernst nimmt.

Markus hat eine grosse Botschaft: Gott hört. Gott hilft. Und er kommt, auch in der Wüste. Und er zitiert den Propheten Jesaja: „Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Strasse für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben. Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen.“ (Jesaja 40,3 f und Markus 1,2).

 

Aus Notizen 2010
Foto von Aleksandar Pasaric von Pexels