Falsches Aha!

Glauben können, das ist kinderleicht und kinderschwer. – Wenn ich den Glauben suche, taucht die Kindheit immer wieder auf. Das ist die Zeit, in der vieles geprägt wurde. Immer wieder erlebe ich als Erwachsener, wie ich etwas tue, was ich nicht will. Und was ich will, das tue ich nicht.

Der Widerstand, der kommt nicht erst am Schluss dazu, der mischt schon von an Anfang mit. Schon die Wahrnehmung ist geprägt. Schon die Wahr-Nehmung ist eine Falsch-Nehmung. Sie zeigt mir die Wirklichkeit nach dem Muster frühkindlicher Erfahrungen. Und die Antwort darauf ist schon beigemischt. So hatte ich als Erwachsener seltsame Aha-Erlebnisse: Wenn etwas ganz aussichtlos erschien, dachte ich, ich sei endlich am Boden der Wirklichkeit angelangt.

  

Ich war so blockiert wie damals, als ich nach der Scheidung die Wohnung hätte zügeln sollen. Ich sass zwischen Schachteln, Kisten und halb eingepackten Sachen auf dem Boden und heulte. Ich kam nicht vom Fleck. Ich war wie angewachsen, ein Albtraum.

Da, wo das „Ich“ sein sollte, hab ich ein Loch. Wo das „Ja“ und das „Nein“, die Freude und die Lebensenergie sitzen sollten, habe ich einen Schalter, der beim kleinsten Anstoss “Klick“ macht; das Licht geht aus, die falsche Evidenz stellt sich ein: “Ja, genau so ist das Leben; ich kann nichts machen.“

Statt Energie und Lebensfreude und Interesse ist da Apathie und Teilnahmslosigkeit; und alles ist wie mit einem Tuch von einer unendlichen Depression ausgeschlagen. So beginne ich alles halbbatzig, so endet alles halbbatzig.

Theoretisch habe ich es begriffen: Gläubig werden heisst, haargenau an die Stelle dieser falschen Evidenz das Ja Gottes hinein zu pflanzen. Gläubig werden ist eine Operation am offenen Herzen. Hier ist der Kern meines Verhaltens und meines Widerstandes. Es genügt nicht, das irgendwie therapeutisch heraus zu nehmen.

Es muss eine andere Evidenz hineinkommen. Ein Bild das zeigt, wie die Welt, wie die Menschen „eigentlich“ sind, ein anderes Bild auch für mich.

Statt in die Leere zu sehen, blinzelnd gegen das helle Blenden der Angst, muss ich dem Blick Jesu begegnen. „Und er blickte den Jüngling an und liebte ihn“. Der Segen muss über mir gesprochen werden: „Erhebe Dein Angesicht auf uns und sei uns gnädig!“

 

Aus dem Buch „Wie ich den Unglauben lernte“, Notiz vom 10.6.90.