Wie ich den Unglauben lernte

Wie einer zum Glauben kommt, das wird gewöhnlich so erzählt: Als Kind kommt er religiös unbeschrieben zur Welt. Aber durch die Eltern oder durch eine Jugendgruppe wird er religiös beeinflusst, vielleicht gerät er sogar in die Fänge einer Sekte und braucht dann ein ganzes Leben, um wieder daraus herauszukommen.

Sieht man in der Religion aber nicht eine Ansammlung von Glaubens-Sätzen sondern eine ganze Art, in der Welt zu sein, was sich in einer Haltung des Vertrauens ausdrückt – Vertrauen, gehalten zu sein und auf die Menschen vertrauensvoll zugehen zu können – dann ist es gerade umgekehrt. Dann ist diese Religion bei den Kindern schon vorhanden, aber sie kann verlorengehen. Und es braucht ein ganzes Leben, um sie wieder zu lernen.
Das erklärt den Titel meines ersten Buches und das Vorwort, das ich dafür schrieb:

Wie ich den Unglauben lernte
Kann man Glauben lernen? – Nicht zu glauben, das lernt man jedenfalls. Das hat eine lange Geschichte. Sie beginnt fast mit dem Geborenwerden, es geht durch die Kindheit und hört mit dem Erwachsenenleben nicht auf.

Vieles ist, was das Vertrauen stört. Vieles prägt sich ein, manches verletzt. Und wir lernen, bevor wir denken können, wie wir damit leben können. Das ist mit Opfern verbunden, später bedauern wir es. Wir brauchten das für ein richtiges Leben und wünschten uns, dass wir jene Haltung, jene Hoffnung nicht vorschnell aufgegeben hätten. Damit beginnt die Arbeit an uns selber. Damit beginnt das Abenteuer, sich selbst zu werden.

Bildhauer sein und Stein zugleich? Die Einsicht liegt nur um die Ecke, dass das nicht weit führt. Der Stein, den wir behauen, stammt nicht von uns. Die Maserung, die Härte, die Art, wie er bricht und auf den Meissel anspricht – das ist vorgegeben. Das meiste eigentlich ist uns vorgegeben. Und nachdem wir einige Jahre gemeisselt haben, lernen wir, uns in ein Verhältnis zu setzen mit dem, was vor uns war.
Dem sagt man dann Religion. Und wenn es gelingt, sagt man Glaube, Vertrauen.

Kann man glauben lernen?

Psychologen sagen, Kinder hätten ein Urvertrauen. Und daraus schöpften sie ihr Leben lang. Das sei die Basis für ein erfolgreiches Leben. Darauf bauten all die weiteren Kompetenzen auf, die Fähigkeit zur Arbeit, zur Liebe, das Selbstvertrauen und das Vertrauen in Mensch und Welt.
Was jene Kinder machen, die ihr Vertrauen verloren haben, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Lässt sich Vertrauen lernen?

Diese Notizen berichten von einem Weg. Über 30 Jahre lang bin ich abends hingesessen und habe aufgeschrieben, was mir durch den Sinn ging. Ich hielt mich damals für „ungläubig“, aber bald tauchte die Glaubensfrage wieder auf. Wie es mir damit ging, davon erzählen die Notizen.
Ich erzähle sie nicht, weil ich sie oder mich für etwas Besonderes hielte. Im Gegenteil, das Gewöhnliche macht sie für mich interessant. Im gewöhnlichen kann auch ich mich unterbringen. Das gewöhnliche ist auch das allgemeine. Es sind die einfachsten Erlebnisse, die ein Gespräch ermöglichen. Hier kann jeder sich erkennen, wenn er will.

 

„Wie ich den Unglauben“ lernte ist der erste Teil meiner Notizen, vgl. dazu die Seite Home, über den Blog.

Zum Bild: Sandra (3) malt eine „Schatzkarte“. Die ganze Familie ist unterwegs. Es beginnt zuhause und schon bald tauchen Hindernisse auf: ein Berg, ein Wald, ein Hexenhaus, ein grosses Wasser. Endlich ist da ein Ziel. Wo das Kreuz ist, ist der Schatz vergraben. Die Kleinste hat ihn zuerst gefunden.