Himmelfahrt

Gäbe es eine Reihenfolge der beliebten Feste, so käme es wohl weit unten, weit nach Weihnachten und Ostern: Auffahrt. Was soll das denn heissen, dass Christus in den Himmel gefahren sei?

Die Theologen haben den Glauben „entmythologisiert“. Der Gottessohn, der vom Himmel herabkommt, hier als Mensch lebt und stirbt, in die Unterwelt hinabsteigt, aufersteht und in den Himmel fährt, von wo er „im Geist“ zu uns herabkommt und gegenwärtig ist unter uns – das galt als „Christus-Mythos“.

So etwas könne man einem modernen Menschen nicht mehr zumuten. So wurde der Glaube entschlackt und auf den „historischen Jesus“ reduziert. Dieser sei als „Wanderprediger“ vor 2000 Jahren durch Palästina gezogen. So, aus der Sphäre Gottes entfernt, hat er nur noch historische Bedeutung, als Religionsstifter oder als moralisches Vorbild.

Die glanzvollen Glaubens-Aussagen wurden herabgebrochen auf das Mass der Alltagswirklichkeit. „Wahr ist, was ich sehen kann“. Inzwischen gibt es eine neue Mythologie-Forschung. Sie hat das mythologische Reden wieder in sein Recht eingesetzt. Gewisse Bereiche der Wirklichkeit können gar nicht anders als symbolisch erzählt werden. Wer seine Liebe ausdrücken will, wird sie nicht in „objektiven“ Kilogrammen darstellen, er wird eine Geschichte erzählen. Wer das „Ganze“ der Wirklichkeit umschreiben will, der wird in Bildern reden müssen. Das Ganze ist kein Ding, auf das man zeigen kann, so wenig wie die Gerechtigkeit.

Christus ist auferstanden – Gott steht zu dem, der von den Menschen verstossen wurde. Gerade diesen stellt Gott in die Mitte, der von den Menschen zur Seite geschoben wurde. Er sieht ihn an, der im Dunkeln beiseite geschafft wurde. Er gibt ihm sein Recht.

Er fährt in den Himmel auf – Gott erhöht ihn, der von den Menschen erniedrigt wurde. Er geht den Weg zu Ende, darum bricht die Geschichte nicht im Ungefähren ab. Und es gibt Gerechtigkeit. Darum kann der Menschen nach seinem Leben auf ein „Ankommen“ hoffen. Und der Weg der Menschheit verliert sich nicht im Dunkeln.

„Wir Menschen haben die Welt endgültig in unsere Hände genommen“, schreibt der Schriftsteller Peter Bichsel. „Ich weiss nicht, ob ich an Gott glaube. Aber ich brauche ihn. Ich brauche ihn, damit das alles, was ist, nicht alles ist.“

 

Aus Notizen 2010
Foto pw