Kann man die Welt verbessern?

Der rasante Wandel dieser Tage macht über Nacht Superreiche, z.B. jene jungen Informatiker, die mit ihrer Internetfirma an die Börse gehen. Andere Menschen und ganze Berufs-Gattungen kämpfen ums Überleben, z.B. die Bauern. „Ales wird beser“, schrieb schon vor zehn Jahren ein Mädchen in einer Reklame an die Wandtafel und brachte damit die Skepsis gegenüber dem Fortschritts-Glauben zum Ausdruck.

In die heutige Zeit der Internet-Euphorie scheint diese Skepsis kaum zu passen. Die Globalisierung bietet ungeheure Wachstums-Chancen. Aber die Hoffnungen auf eine grenzenlose „New Economy“ haben sich nach einigen Börsen-Tauchern bereits wieder abgekühlt. Und wenn die Verfechter des gesellschaftlichen Fortschritts auf Erfolge hinweisen, so kann heute jeder Zeitgenosse ebenso viele gesellschaftliche Felder aufzählen, wo nicht ein Fortschritt, sondern ein Rückschritt stattfindet.

Tatsächlich hat die Fortschritts-Fraktion seit etwa 30 Jahren ein Fanal nach dem andern erlebt. Die Ölkrise in den 70ern löste die Diskussion um die Grenzen des Wachstums aus, in den 80ern schreckte das Waldsterben die Menschen auf. Dann kam die Diskussion um Ozonloch und Klima-Erwärmung und die Versicherungs-Gesellschaften meldeten eine Zunahme der vom Menschen beeinflussten Katastrophen-Ereignisse.

Rückschritt als Verfassungsziel
Ein kleines Zeichen hat auch der Bundesrat in den 80er Jahren gesetzt. Im Luftreinhalte-Konzept forderte er, dass die Luftqualität in der Schweiz wieder den Stand von 1960 oder sogar von 1950 erreichen sollte.

Damit ist vielleicht zum ersten Mal in einem amtlichen Text nicht ein Fortschritts-, sondern ein Rückschritts-Ziel festgeschrieben worden. Die politische Schweiz hat sich in diesem Bereich vom Fortschritts-Glauben losgesagt. Der Fortschritt ist jetzt der Rückschritt und der Rückschritt ist Fortschritt.

Geschichtlich stammt die Fortschritts-Idee aus der Aufklärung. Sie legitimierte den bürgerlichen Aufstand gegen den Adel und das religiös gestützte Feudalsystem. Napoleon besetzte später ganze Europa mit der Rechtfertigung, er bringe Fortschritt und Aufklärung. Als sich später die „niederen Stände“ der Revolution anschlossen, diente die Fortschritts-Idee jetzt umgekehrt dazu, die gewalttätige Revolution abzulehnen und für einen evolutionären Fortschritt zu werben.

Das Ziel ist gegenwärtig
Interessant ist die Haltung der Bibel. Sie behauptet weder einen steten Fortschritt noch glaubt sie, dass alles immer schlechter werde. Für sie ist die Welt gut geschaffen. Sie muss nicht verbessert werden. Sie kann nicht verbessert werden.

Das Ganze dieser Welt, ihre Qualität, ist stets gegenwärtig und kann erlebt werden, aber das erfordert vom einzelnen eine entsprechende Haltung. In dieser Haltung kann er es erleben. Dann wird es auch für ihn wahr und durch ihn wird es ein Stück Wirklichkeit, das auch andere Menschen in seinem Kreis erleben können.

 

Aus Katastrophen und Wendpunkte. Der Weg ins neue Millennium. Notizen 2000-2002
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