Sich stellen

Diesen Januar jährt sich zum 500. Mal die «Zürcher Disputation», die die Weichen zur Reformation in Zürich gestellt hat. Dieses Datum – 500 Jahre Reformation – kann die Kirche wohl nicht übergehen. Es einseitig für Werbung nutzen zu wollen, ist aber auch nicht möglich, zu sehr steht die Kirche heute in der Kritik. Das Krisenbewusstsein geht heute weit über die Kirche hinaus. Diese könnte sich der Situation stellen und aufnehmen, was viele Menschen heute zutiefst verunsichert und an der Zukunft zweifeln lässt. Das könnte eine würdige Feier der Reformation und ihrer Anliegen sein.

«Nicht mehr im Griff»
Im Welt-Risiko-Bericht des Weltwirtschaftsforums, das am 16. Januar 2023 in Davos zusammenkommt, warnt das WEF vor dem Risiko, «die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr in den Griff zu bekommen». (NZZ, 12.1.23). «Der Mangel an Fortschritten bei den Klimazielen lege den Graben schmerzlich offen zwischen dem notwendigen Handeln und dem, was politisch derzeit machbar sei.»

Die Pandemie ist noch in lebendiger Erinnerung. Schlimmste Befürchtung war damals, die Entwicklung könne ins Unkontrollierbare abgleiten. Die Staaten griffen zu Notrecht, wie es für Pandemien aufgrund historischer Erfahrung mit Seuchen vorgesehen ist. Das hat schnelle und starke Reaktionen möglich gemacht. Die Gefahr eines «Kollapses des Ökosystems» (NZZ) wird von politischen Entscheidungsträgern noch nicht als so dringend eingestuft. Dem widerspricht jetzt das WEF, das die Wirtschaftsführer in Davos versammelt. Grosse Teile der Jugend sind ebenso verunsichert, sie zweifeln an ihrer Zukunft.

Die Kirche in der Zeit
Die Kirche hat es mit Heil und Unheil zu tun. Dieses Jahr blickt die Zürcher Kirche auf 500 Jahre zurück. Das Gedenken an die Reformation könnte diesmal darin bestehen, sich nicht über die Kirche zu beugen und ihre Sonderprobleme, sondern, wie die Reformation damals, die Fragen der Zeit aufzunehmen.

Die Kirchgemeinde Zürich hat es abgelehnt, 300.000.- Fr. Beitrag an das geplante Jubiläum zu leisten. (Die Landeskirche wollte die übrigen 300.000.- aufbringen.) Ausserdem scheint es zu spät, bis am 26. Januar, dem Jubiläumsdatum, noch etwas auf die Beine zu stellen. Aber es braucht keine teuren Events, es reicht, wenn einer sich stellt, wenn eine andere Antwort gibt, wenn ein Ort entsteht, wo das Gespräch hin und hergehen kann. Vielleicht ist die Strasse nicht der ultimative Ort, wo man auf die Gefahr hinweisen kann. Man klebt sich fest und meint damit: die Entscheidungsträger sollen nicht festkleben. Sie sollen sich bewegen.

Das Krisenbewusstsein ist da. Es richtet sich nicht nur auf Religion und die Frage, welches Image die Kirche hat. Es richtet sich auf das Elementarste. Die Menschen, vor allem auch Jugendliche, sind im Innersten verunsichert und alarmiert.

 

Foto von James Wheeler, Pexels

Zürich hat eine grosse Reformationsfeier bereits in den Jahren 2017 bis 2019 ausgerichtet, in Anschluss an die Luther-Dekade in Deutschland und in Abstimmung mit den europäischen Anlässen. So besteht kein Druck an der PR-Front, noch eine Feier anzusetzen, auch wenn wichtige Ereignisse in Zürich erst 1523 stattfanden. Das gibt die Möglichkeit, sich ohne Druck von aussen der Frage zu stellen, wofür die Reformation in Zürich stehen will, was der Kirche in diesem Jahr wichtig ist.