Was wäre das denn für ein Zeichen, das uns beruhigen könnte?

„Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben?“ fragen die Umstehenden Jesus. Es geht um Glauben. Sie wollen sehen, damit sie glauben können. Ein Zeichen, wie damals beim Auszug aus der Sklaverei, als Gott den Vätern Manna zu essen gab.

Sehen und glauben. – Bei diesem Wort könnte man sich aufhalten, denn dieser Konflikt beschäftigt uns auch heute. Wir leiden darunter, dass wir den Glauben nicht so demonstrieren können, dass man es sieht, dass man einfach glauben muss, wenn man es sieht.

Das betrifft zunächst die andern, die die Religion in die Ecke stellen, die das Christentum nur noch belächeln, die Gott einen guten Mann sein lassen. Und wir denken: Wenn wir es doch besser sagen könnten! Man sieht es dieser Welt an, dass Gott heute fehlt! Wieviel würde anders laufen, wenn die Menschen mehr Glauben, mehr Vertrauen hätten! Viel friedlicher wäre die Welt, wenn die Menschen nicht so verzweifelt wären!

Das betrifft aber auch uns selbst. Auch wir sind Zeitgenossen dieser Welt, auch wir gehören zu dieser Kultur. Auch unser Glaube ist nicht immer sicher. Auch unser Vertrauen wird immer wieder in die Krise geführt, wenn wir nicht auch etwas von dem erfahren, was der Glaube uns verspricht. Ja, wenn wir glücklich sind, wenn es der Familie gut geht, die Kinder und Enkel auf einem guten Weg, dann können wir gut Gott danken.

Aber wenn eine Krankheit an uns kommt? Wenn unsere Kinder irgendwo auf diesem Planeten unterwegs sind, und wir nicht wissen, wo sie sind, wie es ihnen geht? Dann bitten wir zu Gott. Unser Glaube wird auf die Probe gestellt. Gott sei Dank, wenn es gut kommt! Wenn die Kinder wieder wohlbehalten zuhause sind. Aber was, wenn ihnen etwas geschehen wäre? – Wir wagen nicht, uns das auszudenken.

Nein, wir müssen nicht nur auf die andern schauen, wenn wir den Unglauben beklagen. Wir selber zittern davor, dass uns das geschehen könnte! So begreifen wir die biblischen Israeliten gut, die sehen wollen, damit sie glauben. Das wäre ein Wunder an Glauben, wenn ein Mensch einfach vertrauen könnte, egal, was ihm geschieht.

Die Frage an Hiob
Eine solche Glaubensstärke wird vom alttestamentlichen Hiob erzählt. Als Gott ihm alles nahm, seinen Wohlstand, seine Gesundheit und zuletzt auch noch seine Kinder – da sagte er: „Nackt kam ich zur Welt, nackt fahre ich dahin. Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen. Der Name des Herrn sei gelobt!“ Aber das sagt er erst am Schluss, nach vielen verzweifelten Auseinandersetzungen, und vorher wird in vielen Kapiteln des Hiob-Buchs erzählt, wie er klagt, wie er rechtet, wie er Gott herausfordert und sein Leben verflucht. Lieber wäre er gar nicht geboren, als so etwas erleben zu müssen!

Nein, wir müssten Helden des Glaubens sein, wenn wir glauben könnten, egal, was uns zustösst, was wir erfahren im Leben. Wenn wir glauben könnten, ohne etwas davon zu sehen. So spotten wir über die Israeliten nicht, die vor Jesus stehen, und Zeichen sehen wollen: „Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben?“ Wir stehen selber unter ihnen, wir stehen selber vor diesem Jesus und wollen Zeichen sehen.

Was wäre das denn für ein Zeichen, das uns beruhigen könnte?

Was wollen wir sehen, damit wir glauben können? Jetzt wird deutlich, es geht nicht um all die Einwände, die unsere Kultur gegen den Glauben hat. Es geht uns im Grund nicht darum, dass wir den Glauben nicht beweisen können, weil die Wissenschaft sich heute nur an das hält, was man sehen und berühren kann. Es geht um viel mehr. Es geht um praktische Zeichen. Und die Israeliten sagen auch, was sie im Sinne haben: „Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen.“

Darum geht es, sie wollen wieder erleben, was die Väter erlebt haben, die ihnen den Glauben überliefert haben. Diese waren auf einem grossen Weg. 40 Jahre hat er gedauert. Eine ganze Generation und mehr. Am Anfang des Weges stand ein grosser Aufbruch. Sie flohen aus einem Land und einer Zeit, wo sie sich versklavt fühlten. Und ihr Ziel war ein Land, wo Milch und Honig fliessen. Wo der einzelne zu seinem Recht kommt und die Gemeinschaft in Frieden miteinander leben kann.

Das ist das Zeichen, das sie überzeugt: nicht ein abstrakter Beweis an der Wandtafel, nicht eine Zustimmung von Professoren, dass es mit diesem Glauben doch etwas auf sich habe. Was sie suchen, das suchen sie mit ganzer Seele, mit all der Leidenschaft, die sie haben. Sie wollen, dass auch ihr Leben so befreit wird aus all den Hemmnissen und Konflikten, in die sie verstrickt sind. Sie wollen, dass auch ihr Leben eines Tages ankommt am Ziel und dass es nicht einfach nur ein blindes Hin und Her gewesen sein wird, wo man immer wieder in dieselbe Grube fällt und immer wieder die alten Trampelpfade der Psyche abläuft.

Und nicht nur für uns allein hoffen wir heute, müssen wir hoffen. Wir haben von den Kindern gehört. Wir haben sie in eine Welt gestellt, die auf einem schlechten Weg scheint. Wir haben weltweit Schulden angehäuft, die in die Billionen gehen. Sollen die kommenden Generationen damit fertig werden!

Wir haben giftige Schadstoffe in Luft und Meer und Boden gelagert und radioaktive Stoffe erzeugt, die noch viele Hunderttausend Jahren Strahlung abgeben – sollen die kommenden Generationen sich damit befassen. Wir sind dann schon lange tot!
Wir haben das Klima erhitzt und ein riesiges Artensterben ausgelöst, wie es das vorher noch kaum gegeben hat – das alles überlassen wir denen, die nach uns kommen!

Sollen wir sagen: das geht uns alles nichts an? Wir haben so viele Probleme angehäuft, dass sie uns über den Kopf wachsen. Wir wissen nicht wo anfangen und stecken den Kopf in den Sand. Auch die Politik sieht manchmal aus wie ein kollektives Ablenkungsmanöver und Kopf-in-den-Sand-Stecken. Wir wissen nicht, wie wir da wieder raus kommen. Und trotzdem müssen wir hoffen, dass uns das gelingt, dass das Leben auf dieser Erde nicht untergeht und der Weg der Menschheit sich nicht im Dunkeln verliert. Und die Welt, die Erde, das Leben auf diesem Planeten – wir gefährden es mit all unserem Tun und müssen gleichzeitig hoffen, dass es bestehen bleibt, trotz unserem Tun.

Wir hoffen, dass Gott uns hilft, indem er uns widersteht.

So sind wir in der seltsamen Lage, dass wir das Leben unterminieren und gleichzeitig hoffen, dass es bestehen bleibt, dass wir die Zukunft untergraben und gleichzeitig hoffen, dass unser Tun ohne Folgen bleibt. Wir haben das Gefühl, dass wir durch unsere Schuld die Schöpfung zerstören und hoffen auf einen Gott, der die Schöpfung erhält, trotz uns Menschen, gegen uns Menschen.

Wir hoffen, dass Gott uns hilft, indem er uns widersteht. Wir hoffen auf einen „lieben“ Gott und fürchten einen zornigen.
Wir wissen nicht, sollen wir froh sein, dass wir das alles nicht mehr erleben müssen, oder sollen wir verzweifeln, weil wir es unseren Kindern hinterlassen.
So stehen wir vor diesem Christus und reihen uns ein in den Chor: Gib uns ein Zeichen, dass wir an dich glauben! – Wir können nicht mehr glauben. Viele Zeichen die wir haben, die wir uns selber schaffen, gehen ins Dunkle!

Sollte es denn möglich sein, hier eine einfache Antwort zu geben, eine Antwort, die nicht erarbeitet und erlitten sein muss wie die des alten Hiob: „Der Herr hat‘s gegeben und der Herr hat‘s genommen. Der Name des Herrn sei gelobt!“ Aber das sagt Hiob erst nach vielen verzweifelten Auseinandersetzungen, und vorher wird erzählt, wie er klagt, wie er rechtet, wie er Gott herausfordert. Lieber wäre er gar nicht geboren, als so etwas erleben zu müssen!

Ja, Glauben ist auch heute ein grosser Weg. Es ist nichts Naives, wie die Spötter meinen. Nichts Hinterwäldlerisches für Leute, die mit den neusten Trends der Kultur nicht vertraut sind. Glauben ist das allergrösste Abenteuer, das der Menschheit heute aufgebgeben ist! Wie können wir in die Zukunft fahren, wenn wir all unsere Hoffnungen durch unser Tun selber untergraben?
Wir müssen uns wohl anders ausrichten, in eine andere Richtung schauen, andere Schritte gehen, wenn wir wieder mit unserem Ziel übereinstimmen wollen. Und dieses Ziel ist die Hoffnung, dass unser Leben eines Tages ankommt. Dass diese Welt erhalten bleibt und dass der Weg der Menschheit sich nicht im Dunkeln verliert.

Dafür gibt es keine Garantie, aber eine Gewissheit ist möglich, die uns sagt, dass wir in die richtige Richtung gehen. Dafür gibt es keinen Beweis, aber eine innere Ruhe ist möglich, wenn wir dem folgen, was wir als richtig eingesehen haben.

Es gibt keine Garantie, dass unsere Kinder das erleben. Das hatten die Väter in der Wüste auch nicht. Aber sie hatten – durch allen Zweifel hindurch – doch das Vertrauen, dass sie geführt werden. Sie hatten, trotz all ihrem Widerstreben, doch den Glauben, dass sie gehalten sind und begleitet in dem grossen Abenteuer ihres Lebens. Dass da ein Gott ist, der sie geschaffen hat, der sie nicht vergisst, der sie führt und begleitet und dem sie ihre Kinder anvertrauen können.

Jesus aber sprach zu ihnen: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Ich habe euch gesagt: Ihr habt mich gesehen und glaubt doch nicht. Alles, was mir mein Vater gibt, das kommt zu mir; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen.“

 

Aus Notizen 2017

Foto Hüpfspiel 2020, Kinder malen Himmel und Hölle verkehrt