Tod und Gedenken

Die Zeitungsnotiz trägt den Titel: „Mit dem Liebling bis in den Tod vereint.“ Er handelt von einem Tier-Friedhof, wo sich jetzt auch Menschen neben ihren Haustieren begraben lassen können.

Was im Bericht auffällt, sind die Ausdrücke: „vereint“, „nahe sein“, „bei sich“, „Gemeinschaft“. Sie reden von Teilhabe und erzählen vom Gegenteil: wie sehr diese Teilhabe vermisst wird. Der Autor deutet es auf die Einsamkeit der Menschen. „Oft sind die Tiere das Einzige, was vereinsamten Menschen im Alter bleibt“, sagt der Friedhofbetreiber. Er erfüllt mit seinem Institut eine Nachfrage. Die Liberalisierung des Begräbniswesens in der Schweiz hat es möglich gemacht.

Teilhabe
Es fällt wohl schwer, heute noch „Teilhabe“ auszudrücken und zu empfinden: etwas, was über das unmittelbar Gegebene hinausgeht. Nicht nur wegen dem sozialen Individualismus, auch wegen dem weltanschaulichen Empirismus, der als „moderner Nominalismus“ nur den Einzeldingen Realität zuspricht und alle Ausdrücke für das Allgemeine zu bloss-menschlichen Ideen erklärt. In den 60er Jahren wurde das in Mitteleuropa wirklich rezipiert. Damals wurde der Religionsunterricht in der Schule durch Lebenskunde ersetzt. Die empirische Welt, die man mit den Sinnen wahrnehmen kann, das ist die wirkliche Welt. Darauf muss man die Kinder vorbereiten. Die Überlieferungen der Religion zerbröseln bei dieser Betrachtung unter der Hand. Um das „Ganze“ zu denken, fehlen hier schlicht die Kategorien. Wirklich ist, was ich jetzt und hier in Händen halte.

Über den Tod hinaus?
Dass die Sorge über den Tod hinausgeht, zeigt aber, dass wohl doch noch ein Rest der „alten Weltanschauung“ übriggeblieben ist. Oder ist es der Anfang einer neuen? Aber die Gemeinschaft kann nicht grösser gedacht werden als die letzt-erfahrene Begegnung, in der ich mich aufgehoben fühlte. „Ich und der Hund“, das ist die kleinstmögliche Gemeinschaft. Damit trotze ich der Welt. Darin steckt aber doch wohl ein Mehr an Wahrheit. Darin ist auch ein Schmerz verborgen, ein Leiden an dieser Welt. Und dieses Leiden hält am Besseren fest, was der Kopf schon verraten hat:

Was der Verlust sagt
„Nein, das ist nicht gut so!“ sagt es. „Ich möchte Gemeinschaft mit meinen Kindern! Ich möchte Gemeinschaft mit meinen Geschwistern, auch wenn wir uns zerstritten und auseinandergelebt haben! Ich möchte Gemeinschaft mit meinen Nachbaren, auch wenn die alten Nachbarn schon lange ausgezogen sind und ich die neuen nie zu Gesicht bekomme!

Ich möchte Gemeinschaft mit den Menschen an der Strasse, dass man sich über die Strasse zuwinken kann, wenn man einkaufen geht! Ich möchte Gemeinschaft in meinem Dorf, dass ich wieder gern zu den Anlässen gehe, weil ich mich dort respektiert fühle! Ich möchte Gemeinschaft mit der ganzen Welt! Ich möchte mich aufgehoben fühlen in dieser Wirklichkeit, dass ich kein Fremdköper in ihr bin – wie von einem fremden Stern gefallen. Aber genauso fühle ich mich! Das ist nicht richtig so!“

 

Aus Notizen 2015
Der Artikel „Mit dem Liebling bis in den Tod vereint“ erschien im «Tages-Anzeiger» vom 4.2.2015.
Foto von Humphrey Muleba, Pexels