Heute noch von Gott erzählen?

Soll man heute noch von Gott erzählen? Das Christentum scheint verdunstet, Religion hat eine schlechte Presse. Vielleicht muss man sich vom Erfolg emanzipieren, nicht mehr auf das Echo schielen. Die Motive müssen von anderswo kommen. Daran erinnert Hermann Hesse, wenn er berichtet, warum er überhaupt noch schreibt.

Ist Erzählen noch möglich?
Am Ende seines Lebens hat Hesse noch einige Erzählungen geschrieben (z.B. «Der Bettler» und «Unterbrochene Schulstunde»). Er konnte sich ja wirklich nicht über mangelnde Beachtung beklagen, hatte den Nobelpreis erhalten, war in den USA ein Starautor mit Millionen-Auflagen. Und doch fragt er sich in diesen Erzählungen, ob Erzählen noch möglich sei, ob man damit nicht Voraussetzungen mache, die vielleicht nicht mehr gegeben seien. Ist es überhaupt möglich, eine Verstehens-Brücke von einem zum andern zu schlagen?

Vereinzelung bis ins Glauben und Denken
„Denn keiner von uns Literaten weiss heute, wie weit sein Menschentum und sein Weltbild, seine Sprache, seine Art von Glauben und Verantwortung, seine Art von Gewissen und Problematik den anderen, den Lesern und auch den Kollegen vertraut und verwandt, erfassbar und verständlich ist.“

Auf dem Höhepunkt der Skepsis, am Tiefpunkt des Vertrauens, erkennt er: Ich erzähle, weil ich erzählen will. Ich weiss nicht, ob irgendjemand das lesen oder verstehen wird. „Ich schreibe also meine leeren Blätter mit Buchstaben voll, nicht in der Absicht und Hoffnung, damit jemanden zu erreichen, dem sie Ähnliches wir mir bedeuten könnten, sondern aus dem bekannten, wenn auch nicht erklärbaren Trieb zu einsamer Arbeit, einsamem Spiel, dem der Künstler gehorcht.“

Das Mädchen mit der Flagge
Aus diesem Grund hisst das Mädchen in Miyazakis „Mohnblumenstrauss“ jeden Morgen die Flagge, weil es auf die Rückkehr ihres Vaters hofft, der im Koreakrieg umgekommen ist. Es ist wie ein Gruss in den Himmel. Und sie findet, als sie herangewachsen ist, ihren Freund, als ob der Himmel Antwort gegeben hätte. Sie denkt nie und nimmer daran, dass sie einen Freund finden würde, wenn sie die Flaggen hisst, sie denkt an ihren Vater. Sie zeigt die Flagge und ist dem treu, was ihr wichtig ist, wichtiger als alles andere.

So können auch wir vom Glauben erzählen und an niemanden denken. Ist da jemand, der das je lesen oder wertschätzen wird? Wir können die Flagge hissen, an den Vater denken und den Rest ihm überlassen.

 

Foto von Tibor Szabo, Pexels

Die Zitate stammen aus: Hermann Hesse, Der Bettler. Zwei Erzählungen, Berlin und Ffm, 2016, 5. Auflage, S.7 und 9

Aus Notizen 2017