Von Gott verstossen?

In der Seelsorge hat man es manchmal zu tun mit Menschen, die sich von Gott verstossen glauben.
Ich bekam einmal einen Anruf. Jemand fühlte sich von Dämonen verfolgt.

Ich kannte mich damit nicht aus. Sollte ich vor dem Besuch die Bücher vom Estrich holen, die von Teufelsglauben handeln? (Vom Studium her mussten noch so was herumliegen.)

 Was musste ich wissen? Wie konnte ich zu diesem Menschen hingehen? –

In diesem Moment wurde mir klar:
Ich muss nur wissen: dass ich und du, dass wir alle ganz und gar von Gott angenommen sind, auch in dem, was wir selbst ablehnen. Auch dort, wo es uns selbst noch nicht gelungen ist, uns mit uns und unserem Leben zu versöhnen. Darum sind wir nur zu bereit, einzustimmen, wenn jemand uns ablehnt. Aber Gott kennt uns besser als wir selbst. Und er hat gute Gedanken für uns.

So konnte ich hingehen. Und das hat geholfen.

Falsche Evidenz
Ich habe lange nicht begriffen, warum dieser Mensch – er ist als Kind in einer Sekte aufgewachsen – immer wieder Leute aus seiner alten Gruppe traf. Warum konnte er sich nicht lösen? Sie haben ihn doch immer nur „fertig gemacht“. Er sei der letzte Dreck, Abschaum, nichts wert… Bis ich begriff, dass er da sein „Aha“ erlebte. So kennt er sich selbst, in solchen Worten kann er sich wiedererkennen: Ja, das bin ich. Endlich sagt einer die Wahrheit über mich. – Er verbündete sich mit dem, was ihn klein machte. Es fällt ihm leichter, das zu glauben, als dass Gott gut und gnädig zu ihm sei.

Gesundheit
Ohne Glauben an einen guten Gott, der uns ganz und gar, bis in die letzte Faser, annimmt – ohne diese Überzeugung, kann man nicht gesund leben. Man kann die Gesundheit weder finden noch erhalten. Ohne diese Überzeugung setzt sich die äussere Spaltung im Innern fort und die innere Spaltung in der äusseren Welt.

Wo man an Teufel und Dämonen glaubt, gibt es keine einheitliche Wirklichkeit. Da muss der Mensch Dinge an sich verleugnen und verdrängen. Er muss versuchen, sie nicht wahrzunehmen und wahrzuhaben.

Das mag eine gewisse Zeit gut gehen – diese Menschen fühlen sich gut und rein und ereifern sich über andere, die «in Sünde leben». Aber es hält nicht lange vor. Es kommt immer wieder zu Durchbrüchen, wo das Verleugnete sich Bahn bricht. Das strömt dann hervor mit Gewalt, wie der Jähzorn, wie eine Sucht, wie ein Zwang, der die Herrschaft übernimmt.  Da ist eine Dynamik, die sich nicht beherrschen lässt.

Spekulation und praktisches Wissen
Der «Teufel», «das Böse» – das ist ein grosses Thema. Was ist das Übel und woher kommt es? Darüber könnte man lange spekulieren.

Wichtig, damit wir den Weg finden, ist nur eines. Nur das müssen wir wissen:
Dass ich und du, dass wir alle, ganz und gar, von Gott angenommen sind. Auch in dem, was wir selbst ablehnen, auch in dem, was uns selbst unheimlich ist. Er kennt uns besser als wir selbst. Er hat uns geschaffen, er hält unser Leben in der Hand. Und er hat gute Gedanken für uns, er hilft uns und erlöst uns.

Wertschätzung
Was hilft, ist wertschätzen, was da ist: Gott hat mich diesen Weg geführt. Alles auf diesem Weg hat einen Sinn. Alles darf ich annehmen, ich muss es nicht abwerten. Gott heiligt es, indem er mit mir geht.

Wir sind manchmal wie die Jünger auf dem Weg nach Emmaus: Da sind wir verzweifelt über alles, was geschehen ist. Da tritt er zu uns. Wir erkennen ihn daran, dass er uns das Brot bricht. (Daran erkennen wir Gott, dass er gut ist und unser Leben stützt.) Und wir sagen: Herr bleibe bei uns, denn es will Abend werden. Und er bleibt bei uns im Heiligen Geist. So führt er uns lässt uns nicht allein.

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