Wie Spott heilig wurde

Spott und Hohn spielen in der Bibel eine grosse Rolle und werden in der Passionszeit besonders bedacht. Das dürfte eine Gesellschaft interessieren, die die mediale Blossstellung zu einem Mittel gemacht hat, mit der Massen auf Linie gebracht und kontrolliert werden.

Scham und Schande treffen heute nicht nur eine kleine Minderheit – im Mittelalter wurden sie an den Pranger gestellt, im alten China trugen sie einen Schandkragen –, heute ist die Blossstellung von Menschen mit anderen Meinungen epidemisch geworden. Man spricht von «Shit-Storm», hält sich aber nicht lange damit auf, denn nach ein paar Tagen wird der nächste Mensch durch die Medien gehetzt. So ist die Erfahrung, blossgestellt und feindlichen Angriffen ausgesetzt zu sein, massenhaft geworden. Es ist eine «Passion», die heute viele Menschen erfahren.

Geheiligter Spott
Spott und Hohn – und deren Kehrseite Scham und Schande – gehören wesentlich zur Passion. Im Alten Testament klagen die Psalmen über den Spott («Versengt wie Gras und verdorrt ist mein Herz. Den ganzen Tag verhöhnten mich meine Feinde.» Ps 102) Die Propheten werden verhöhnt, die Armen, ja das ganze Volk erleidet den Spott der Feinde. Im Neuen Testament wird es zu einer Kreuzwegstation, die in der kirchlichen Musik und Malerei intensiv bedacht wird. So kommt es zuletzt sogar zu einer Umkehr der Werte. Was Inbegriff der Schande ist, wird jetzt gewürdigt. Spott und Hohn werden geradezu geheiligt, weil sie als Leidensweg das Heil hervorbringen.

 

Lesen Sie dazu das Streiflicht «Der geheiligte Spott
Bild Verspottung, Fra Angelico