Zur Erinnerung an die Verstorbenen

Es ist November. Am Morgen ist es dunkel, wenn der Tag beginnt. Draussen ist es nass und kalt. Aber immer wieder bricht die Sonne durch. Sie reisst die Nebeldecke auf. Und noch einmal leuchtet der Herbst im farbigen Laub der Bäume. Und die Menschen atmen auf. Der Himmel wird leichter über ihnen.

Bald beginnt der Advent. Er bringt Bilder voll Licht und Wärme in die kalte Jahreszeit. Er erzählt von einem neuen Anfang. Doch vorher steht noch etwas an.

Im November erinnert man sich der Verstorbenen. Es ist Tradition, aber es tut auch in der Seele gut, wenn man seine Lieben besucht auf dem Friedhof. In der Kirche feiert man den Ewigkeits-Sonntag.

Wie ist es, wenn unser Leben zu Ende geht?

Was kommt nach dem Tod?

Die einen Menschen sehnen sich nach Ruhe. Andere empfinden, dass noch nicht alles am Ziel angekommen sei. Vieles kann man zu Lebezeiten noch regeln. Man sorgt für die Nachkommen, teilt das Erbe auf. Man führt noch Gespräche. Da ist noch ein Dank, der ausgesprochen werden will. Dort sind Erinnerungen an erlittenes oder begangenes Unrecht, die eine Antwort verlangen.

Manchmal sieht man, wie ein Leben vorzeitig zu Ende geht. Eine Gestalt – mitten im Werden – ist abgebrochen. Sie müsste doch noch vollendet werden…

Wenn ein Weg zu Ende geht, gibt es ein Ankommen. Dort finden die Fragen eine Antwort, und der Weg kann einmünden in Frieden und Dankbarkeit. So sieht es die Bibel, und sie spricht in verschiedenen Bildern davon.

Nach einem dieser Bilder ruhen die Verstorbenen „in Abrahams Schoss“ (Lk 16,22). Dieses Bild kommt aus einer Welt, in der man noch in einer grossen Familie zusammen wohnte. Am Schluss sind alle wieder da. Niemand fehlt. Die Gemeinschaft, die auseinander gerissen wurde durch Not und Tod, ist wieder heil.

„Hebe deine Augen auf und sieh umher: alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden. Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden. Deine Sonne wird nicht mehr untergehen, denn der Herr wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben.“ (Jesaja 60, 1 ff)

Andere Bilder zeigen Jesus Christus, wie er nach dem Tod Mariens ihre Seele abholt und in den Himmel geleitet. Die Alte Kirche sah in ihm den „Seelenführer“ auf dem Weg des Lebens, hier in dieser Welt und bis ans Ziel. Die Gestalt der Maria steht für die Kirche. Ihren Weg teilt jeder Mensch, der offen ist für Gott, so dass Christus in ihm geboren werden kann, wie in Maria. Wer ihm Raum gibt wie sie, wird erfahren, wie er kräftig wird und Gestalt gewinnt in seinem Leben.

Auch hier steht das Bild der Gemeinschaft am Ende, die Gemeinschaft der Menschen, aber auch die Gemeinschaft mit Gott. Oft braucht die Bibel für diese Gemeinschaft auch das Bild der Liebe. Die Liebe ist eine Erfahrung, wie aus zwei Menschen etwas Neues entsteht, die Geburt eines neuen Lebens.

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“ (Off. 21,1ff)

Zum Feiertag Allerseelen (kath., 2. November),
zum Toten- oder Ewigkeits-Sonntag (prot., letzter Sonntag vor Advent)