Bleibe bei uns!

Ich habe den Film «Reste un peu» («Bleibe bei uns») gesehen, eine Komödie aus dem Jahr 2022 von Gad Elmaleh. Der Film handelt von einem Komiker, aber er meint es ernst. Er spricht von Religion und möchte sich taufen lassen. Aber weil er bereits Jude ist, ist das kein leichtes Unterfangen. Zudem möchte er katholisch werden, weil die Jungfrau Maria es ihm angetan hat, seit er als Kind einmal in eine Kirche eingedrungen ist. Das scheint der grösstmögliche Konflikt, so richtig ein Rezept für eine Komödie. Aber offenbar meint er es ernst. Er macht sich über keine der Religionen lustig.

Das Verbot
Der Vater hatte es ihm verboten, in eine Kirche zu gehen. In Synagogen durfte er gehen, in muslimische Gebetshäuser, aber nicht in einer Kirche. Was war da wohl drin? Als er nach vorne zum Altar ging, stand da eine grosse Statue von Maria. Es war für das Kind ein tiefes Erlebnis, das aus dem blossen Erzählen nicht nachzuempfinden ist. Aber religiöse Wege haben zu tun mit tiefen Erlebnissen, in der Kindheit oder an Wegscheiden des erwachsenen Lebens.

Davon lässt sich kaum reden, auch weil man es auf die Schnelle nicht nachvollziehbar machen kann. Und dann ist Religion verpönt und gar die katholische! Dazu braucht es nicht die Missbrauchsfälle, es reicht eine ganze Emanzipations-Geschichte der Kultur, die sich von Religion losgesagt hat. So trägt jeder die Argumente schon bei sich, unbewusst, er muss nur den Mund aufmachen, schon purzeln sie heraus.

Der Witz
Auch Gad, so heisst der Filmheld, spricht nicht davon, oder nur andeutungsweise in den Religionswitzen, die er in seine Auftritte als Conférencier einstreut. Einmal spricht er es sogar aus, in einer seiner Nummern, und er wundert sich, dass in Frankreich nicht von Religion gesprochen werde. Dann ist er schon wieder bei seinen Witzen, und das Gelächter folgt ihm in lauten Wellen. Religion ist out, es ist lächerlich. Und wer etwas damit verbindet, spielt den Clown.

Im Spotten und Lachen kann er davon sprechen, wenn auch nur uneigentlich. Er übernimmt das Urteil und widerspricht ihm doch, weil das Thema ihn nicht loslässt. Aber aussprechen, was ihn bewegt kann er nur, indem er es lächerlich macht. So ist der Clown in Religionsdingen eine unglückliche Figur.

Der Film bleibt hier nicht stehen. Gad nimmt viele Anläufe, sich taufen zu lassen, seinen Glauben auch äusserlich zu bezeugen. Angesichts des Widerstands seiner Familie nimmt er es zurück. Er will es nur geheim machen. Aber das geht mit dem Taufakt in der Kirche auch nicht.

Am Punkt
Der Film markiert den Punkt, wo wieder über Religion gesprochen wird. Und so will der Film auch ernst genommen werden, es ist keine Komödie, dich sich über Gläubige lustig macht. Daran ist doch etwas, und dem geht der Film nach.

Wenn man nicht mehr mit einem Lachen darüber hinweggehen kann, dann müssen plötzlich wieder Diskussionen geführt werden. Dann sind Konflikte auszuhalten, wie der Film zeigt. Dann ist da ein Gespräch zu führen mit Eltern, Verwandten, mit Freunden, mit der ganzen Welt, aus der man kommt. Und es ist ein Suchen und Tasten in der Welt, auf die man zugeht.

Vielleicht gibt es eine neue, unerwartete Antwort? Die Konflikte der Kirchen-Geschichte, vor denen man sich fürchtet, müssen nicht auferstehen – all diese Verdammungsurteile, die Erinnerung an blutige Kriege, die mit Religion verbunden waren. Es gibt neue Wege, neue Denk- und Lebenswege.

Günstige Führung
Ob es eine Bedeutung hat, dass der Held des Filmes Gad heisst? «Gad» heisst «Glück, günstige Führung“. Gad ist eine biblische Figur, er war einer der zwölf Söhne Jakobs und ist selber zu einem Stammvater geworden. Das Volk, das aus ihm hervorging, wohnte östlich des Jordans. Es verpflichtete sich, den anderen Stämmen beim Weg ins Gelobte Land zu helfen.

Ist das ein spirituelles Land, das gesucht wird? Geht es um die biblische Legitimation für politische Landforderungen heute? So ist man mitten drin in Diskussionen, die das Gespräch über Religion so schwierig machen. Gad nimmt das Thema ernst, er geht dem Gespräch nicht aus dem Weg.

 

Zu diesem Thema findet sich ein Blogbeitrag «Der Clown» und ein Streiflicht «Das Ende der Ironie».